Wenn Heilung retraumatisiert - über unbewusste Fallen im Heilungsprozess und die Kraft der Intuition
In der therapeutischen Praxis zeigen sich wiederholt Dynamiken, in denen alte Traumamuster in neuen, scheinbar heilsamen Kontexten reinszeniert werden. Menschen geraten in emotionale Sackgassen, fühlen sich erschöpft, überfordert oder kollabieren – und glauben dennoch, das müsse so sein, um wirklich zu heilen. In diesem Artikel und Video geht es darum, diese inneren Heilungsfallen zu entlarven und die eigene Intuition als Wegweiser zur echten Transformation zurückzugewinnen.
Zentrale Fragen die wir uns im Labyrinth der Heilung immer wieder stellen dürfen:
Folge ich gerade einem inneren Heildruck – oder meiner Intuition?
Muss ich wirklich "da durch" – oder wäre Abgrenzung gerade die heilsamere Wahl?
Dient die Methode wirklich mir – oder inszeniert sie mein Trauma erneut?
Drei Fallbeispiele als Illustration möchte ich hier nennen. Alle drei sind Beispiele aus der Erfahrung in meiner Praxis, sie könnten aber durchaus auch aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung stammen.
Die Fehlgeleitete: Eine Frau mit Missbrauchserfahrung erlebt beim Angebot für eine "heilsamen" Massage mit Dampfbad bei einem Körpertherapeuten eine Art “Mini Schock” und im Anschluss große Aktivierung, Schlaflosigkeit und Stress. Ihre Intuition sagt "Nein", doch eine andere Stimme glaubt, sie müsse das aushalten und vor allem meinte sie zu wissen, dass diese Form der Therapie wirklich die Heilung für all ihre körperlichen Symptome sein könnte. Am Ende der Therapiesession erkennt sie: Die Energie des Therapeuten ist nicht sicher für sie. Das Setting passt nicht. Und deswegen ist es egal, wie gut und wie wirksam die Methode sein könnte. Es passte zu diesem Zeitpunkt nicht für sie und sie konnte ihr Bedürfnis nach Abgrenzung als ihre tiefere Wahrheit erkennen.
Die Grenzenliebende: Eine Klientin mit sexuellem Trauma besucht Workshops, in denen Berührungen unter Frauen in standardisierten Settings vorkommt. Obwohl sie sich dabei extrem unwohl fühlt, glaubt sie, "da durch zu müssen". Ihre Heilung beginnt mit der Erkenntnis: "Ich will keine Berührung mit fremden Frauen." – nicht aus Angst, sondern aus innerer Klarheit. Grenzen setzen ist in diesem Fall die Heilung.
Die erschöpfte Vermittlerin: Ein erfahrener Coach arbeitet mit inneren Anteilen. Sein System ist am Limit. Zwei innere Anteile sind in Konflikt, und er gerät wieder in die alte Rolle des Vermittlers – wie einst zwischen seinen Geschwistern. Die Lösung: Die tiefe intuitive Erkenntnis, dass zuerst sein Nervensystem genährt werden muss, bevor er sich um jüngere innere Anteile kümmern kann. Er darf als Erwachsener zuerst für sich sorgen, um dann auch als Erwachsener für seine inneren, jüngeren Anteile da zu sein.
Mein therapeutisches und persönliches Fazit, welches ich für heute mit dir teilen möchte:
Heilung geschieht nicht durch Druck, sondern durch Sicherheit, Verbindung und innere Zustimmung. Auch heilsame Methoden können retraumatisieren, wenn wir uns selbst übergehen. Intuition ist der Schlüssel. Nicht jede Methode ist für jeden richtig – und das ist okay. Es kann die beste therapeutische Methode sein, wenn der Zeitpunkt, die Person, der Ort oder das Setting nicht 100% stimmen, und das bestimmt dein inneres tiefes Bauchgefühl, dann wird diese Intervention keine Früchte tragen. Das dürfen wir uns immer wieder vor Augen führen. Wir müssen uns nicht durchpushen, weil das Element von Pushen ist weder Liebe noch Fürsorge oder Schutz sondern es ist Druck, Anstrengung und meistens ist es ein Element der Überlebensstrategie und nicht der inneren Bewegung zur Heilung.
"Heilung passiert, wenn du dich sicher fühlst – nicht, wenn du dich überforderst."